Die Auseinandersetzung mit Material und Design hat verschiedene Ausgangspunkte. Einerseits führen Ideen und Konzepte zur Festlegung eines geeigneten Materials. Anderseits kann die Materialwahl auch Kern des Entwurfs sein und somit die Gestaltung von Anfang an beeinflussen. Studierende des Studiengangs Industrial Design haben sich während des Wintersemesters 2024 im Projekt "Ripped-Up" an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste (ABK) in Stuttgart intensiv mit thermoplastischen Reststoffen (Kunststoffabfall) beschäftigt. Ziel war es, Potenziale für das nachhaltige Design zukünftiger Produkte zu erfassen und erste Prototypen herzustellen.
Nachdem zunächst in einem Workshop eigens gesammelte Kunststoffe klassifiziert und untersucht wurden, konnten sich die Studierenden mit den unterschiedlichen Arten und Eigenschaften von Kunststoffen auseinandersetzen. Hierzu erhielten sie vom Maschinenbauunternehmen WEIMA aus dem nahen Ilsfeld, kurz vor Heilbronn, Unterstützung – theoretisch wie praktisch. Wissen über das Thema Kunststoffrecycling und dessen industriellen Prozessschritte wurden bei einem Gastvortrag vermittelt.
"Ripped-Up" Workshop Vortrag an der ABK Stuttgart
In der Kunststoffwerkstatt der ABK stellte WEIMA anschließend einen kompakten Precious Plastic Einwellen-Shredder aus eigener Produktion, knapp 60 kg Granulat, sowie eine handbetriebene Spritzgussmaschine zur Verfügung, um damit zu experimentieren. Geplant ist, dass das Equipment auch zukünftigen Projekten an der Kunsthochschule zur Verfügung steht.
WEIMA Shredder Pro in Stuttgart
Im zweiten Schritt ging es darum, Ideen für ein Produkt zu entwickeln und diese mit den erarbeiteten Kenntnissen zusammenzubringen. Welche Besonderheiten haben die jeweiligen Kunststoffe? Welche Art von Thermoplast kann man statisch und konstruktiv sinnvoll für einen Entwurf verwenden?
Im Kurs sind unterschiedliche Ansätze verfolgt worden. Von der Verwendung von Granulaten in der Spritzgussmaschine über die Verschmelzung in der Tiefziehmaschine oder dem Bügeln von Plastiktüten sind die Studierenden explorativ an die Weiterverarbeitung der Reststoffe herangegangen. Auch die Ergebnisse lagen in einem breiten Spektrum: Von leichten Taschen, Tellern, Möbelstücken und Schmuck, bis hin zu modularen Halbzeugen.
Teller aus recyceltem Kunststoff
Eine Herausforderung lag in der Verfügbarkeit der Materialien, der Unvorhersehbarkeit der Materialqualität und der kurzen Zeit für die Bearbeitung. Die Studierenden haben in diesem Zusammenhang jedoch gelernt, adäquate Ersatzmaterialien zu nutzen oder Platzhalter zu definieren.
Weiterhin ist die Wichtigkeit von Materialtrennung für die Weiterverarbeitung von Reststoffen deutlich geworden, wo ein homogenes, qualitativ hochwertiges Material für den Entwurf benötigt wurde.
Insgesamt konnten sich die Studierenden der Kunsthochschule Stuttgart experimentell und gestalterisch mit der Verarbeitung von recycelten Kunststoffen auseinandersetzen. Darüber hinaus hatten sie die Möglichkeit, sich als Gestalter:in auch in einer wichtigen Schnittstelle bei der Weiterverwendung von Materialien zu begreifen.